Nach einer doch halbwegs beschlafbaren Nacht wache ich um 7:10 Uhr auf, grade hält der Zug in Ludhiana an. Lustig, hier kommt der Kerl vom Meringer Pizza-Service her, und der Lal vom Merchinger kommt auch hier irgendwo aus der Gegend. Aufenthalt ist eine volle Stunde, ich kotz gleich. Zu allem Überfluß gibt's jetzt auch noch ne schriftliche Fahrgastbefragung. Sinnigerweise nicht anonym ... jedenfalls kann man für diverse Sachen, z.B. "Sauberkeit der Toiletten" usw. Noten 1-5 von "Sehr schlecht" bis "Sehr gut" vergeben. Ich nehme an, dass hier indisch zu bewerten ist, wäre das im weltweiten Vergleich gemeint, müsste ich "-21" (entsprechend "IHR DRECKSVERFICKTEN ARSCHLÖCHER TRAUT EUCH TATSÄCHLICH, MICH ZU FRAGEN, WIE ICH EURE KRÄTZIGEN, DERSCHISSENEN KLOS IM ZUG FINDE???") ankreuzen. Aber so, wähle ich halt die "4", für "good". ICH esse ja auch nicht aus dem Klo, von daher ist mir das wurscht. Bei einigen der Zeitgenossen hier würde ich das aber nicht unterschreiben. Weiter geht's. Planmässig erreichen wir Amritsar um 10:30 - zu meinem Erstaunen sind wir aber schon um 10:20 da. Sachen gibt's ... Gepäckneger organisieren, dann dem Gepäckneger das Handy mit dem Taxifahrer vom Hotel drin an's Ohr halten. Dem Gebabbel zuhören und hinterherlatschen. Wir sind im Punjab, das merkt man sofort, die Leute hier sind erheblich anständiger als beispielsweise in UP (Uttar Pradesh, ausserhalb von UP auch gerne "Ugly Place", dem stimme ich voll und ganz zu). Taxifahrer verstehen das "No" hier so schnell, dass ich mich glatt dazu hinreissen lasse, auf "No, thank you" downzugraden. Einmal hänge ich gar noch ein "Sorry" an, was tatsächlich mit einem "No problem" und umgehendem Verschwinden beantwortet wird - man glaubt es kaum, haben die Engländer hier etwa ein Exemplar von "Civilization for dummies" liegengelassen? Hier lasse ich es krachen, das ist ein 40-Euro-Spitzenhotel, entsprechend wird man hier auch mit einem AUTO ins Hotel gebracht und macht beim Gepäcktransport nichts aber auch gar nichts selbst. Riesiges Zimmer, Dusche mit Wasserdruck. Im Heftchen neben dem Telefon steht: "Dear Guest, we provide safe drinking water to our guests. The water is filtered, purified and treated through Aqua Guard and kept in the flask which is fit for human consumption.". Wow! Das liest man im Westen auch nirgends. Und tatsächlich stinkt die Brühe auch nicht, so wie sonst überall. Entspannen, nachmittags geht's - vom Hotel organisiert - zur Pakistanischen Grenze in Attari, 45km entfernt. Natürlich im Auto, nicht Tuk-tuk. Von wegen "kleine Tribüne für 10 Ausländer". Wir müssen 500 Meter vor der Grenze parken. Mein Blick fällt auf eine zerquetschte Red Bull-Dose am Boden, aber ich bin zu geschockt, um sie zu fotographieren. Alles ist voll. Tausende (!!) Leute strömen zur Grenze - für die Schließzeremonie wohlgemerkt, der Grenzübertritt ist schon vorbei (10-16 Uhr). Täglich. Ist ein landesweit bekanntes Spektakel. Tolle Führung von Menschenmassen, an einer Stelle muss man sich unter massivem Schub des Pöbels durch ein 30 cm breites Nadelöhr zwingen, links ist eine Metallstange, rechts ist Stacheldraht, da sollte man besser nicht umknicken! An der Grenze dann latsche ich Richtung Treppe. Ein Offizier kommt auf mich zu und fragt nach der Nationalität. "German". Er grinst und verweist mich freundlich auf einen Seiteneingang - für Ausländer gibt's VIP-Plätze weiter vorne. Sehr cool! Riesige Tribünen auf indischer Seite. Auf der Pakistanischen ebenfalls, aber schon deutlich kleiner, hier ist auch viel weniger los. Dafür sind die pakistanischen Tribünen intelligenter gebaut, im Halbkreis wie ein antikes Theater. Ständig laufen irgendwelche Frauen mit einer Landesfahne am Stock den Platz vor dem Tor auf und ab (auf beiden Seiten). Plätze gibt's kaum mehr, alles voll. Inder und Pakistaner beschallen die Zuschauer mit patriotischer Musik (wobei die der Pakistaner eindeutig besser ist). Müll liegt hier übrigens keiner rum, die ganze Anlage ist blitzsauber. Dann geht das Spektakel, exakt getimed auf beiden Seiten, los. Erst marschieren zwei weibliche Offiziere im Stechschritt zum Tor, dann sechs Männliche. Einpeitscher stacheln beiderseits die Menge auf. Unter massivem Gegröle öffnen sich die Tore. Fahnen werden eingeholt. Die kommandierenden Offiziere beider Seiten geben sich für einen Sekundenbruchteil die Hand und salutieren anschliessend. Dann fliegen die Tore zu - Grenze dicht, bis morgen 10 Uhr. Dafür, dass das eine der gefährlichsten Grenzen der Welt ist -hier stehen sich zwei tief verfeindete Atommächte gegenüber- läuft das Ganze erstaunlich harmonisch ab. Die Zeremonie selbst dauert gut 30 Minuten, mit latschen und warten ist man zwei Stunden unterhalten. Sehr eindrucksvoll, das sollte man nicht verpassen, wenn man hierher kommt. Ich erstehe noch für 50 Rs eine DVD über die Grenze und die Truppe, die dort stationiert ist. Rückfahrt. Die LKW-Schlange ist interessaterweise nicht wirklich lang, vielleicht einen Kilometer, das hat man an deutschen Grenzübergängen auch gleich. Nur dass unsere natürlich nicht zumachen, nur weil's dunkel wird. Die gammliste Grenze, die ich kenne, ist übrigens die bei Nadlac in Rumänien, Grenze zu Ungarn - das liegt aber daran, dass die Rumänen einfach zu blöd sind, um eine Grenze zu betreiben. Aber das ist eine andere Geschichte. Zurück im Hotel gibt's noch ein Chicken Lasagne und "Terminator 2" im Hollywood-Kanal.
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Anmarsch zur Grenze |
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Patriotischer Fahnenlauf. Man beachte die Lautsprecher auf dem Gebäude! |
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Staatsgrenze. Das vordere Metalltor ist Indien, das Hintere Pakistan. Das weiße Gebäude im Hintergrund ist die pakistanische Zuschauertribüne. |
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Blick in die andere Richtung |
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Etwas weiter weggezoomt, Teile der Tribünen |
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Indische Grenzsoldaten. Der mit dem roten Bändchen ist wohl der Chef, der geht nachher rüber zum Paki |
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Einholen der Fahnen |
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Kurzzeitig geöffnete Grenztore |
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